Die neuen Übersetzungen des Gedichts De hirundine (,Über die Schwalbe’) von Bisschof Radboud im 9. Jahrhundert werden in einem mehrsprachigen Buch gesammelt: niederländisch, deutsch und einige niedersächsischen Regionalsprachen.
Lyrik, Kunst, Natur und Kultur fließen in diesem einzigartigen Buch zusammen. Auf die Text- und Bildgestaltung wird ein besonderes Augenmerk gerichtet. Der Dichter, Journalist und Naturforscher Sander Grootendorst schreibt einen Aufsatz über Schwalben in der Lyrik. Der Kunsthistoriker Jaap Nijstad berichtet über die Schwalben in der bildenden Kunst. Arend Heideman zeigt eine beeindruckende Bilderserie von Rauchschwalben im Hinterhaus seines jahrhundertealten Hofes in Gelselaar, wo im Garten noch ein Bentheimer Brunnen mit der Jahreszahl 1575 steht.
Der Plan entstand auf dem Schwalbenhof
Die Idee zu einer Übersetzung des Radboud-Gedichts in die Mundart der Region Twente entstand bei einem Besuch des Dialektspezialisten Gerrit Klaassen aus Goor an den ,Schwalbenhof’ des Projektkoordinators Heideman. Begeistert beteiligten sich danach Sander Grootendorst (deutsche Übersetzung), Sebastiaan Roes (Dialekt des Achterhoeks; im Video auf dieser Webseite zu sehen) und Willem Tjebbe Oostenbrink (Westerkwartiers-Mundart in der Provinz Groningen). Wenig später folgten Carl-Heinz Dirks (Oostfreesks Platt), Hans Demming aus Münster (Übersetzung in münsterländisch-niederdeutsche Distichen), Annije Maria Brans (Mundart in der Provinz Drenthe), Pfarrer Klaas G. Pieterman (Mundart Hogelandsters, Groningen) und Arne Lentföhr uut Lübeck(Holsteensk). Eine unter der Leitung des Lateinischlehrers Dr. Ronald Blankenborg von Schülern des Marianum-Gymnasium in Groenlo übersetzte Fassung schliesst die Reihe ab.
Das Buch und der Ausbau des Poesiefestivals
Es ist ein wichtiges Nebenziel des Buches, den weiteren Ausbau des grenzüberschreitende Poesiefestivals in Gelselaar anzutreiben. Diesbezüglich hat sich der ,Fond 1819’ entschieden, das Übersetzungsprojekt in der Vorphase zu unterstützen und auf diese Weise daran beizutragen, dass dieTeilnehmer aus verschiedenen niedersächsischen Sprachgebieten beim Festival am 9. Oktober 2021 dabei sein konnten. Carl-Heinz Dirks aus Emden hat da seine ostfriesische Übersetzung vorgetragen.
Projektgruppe besteht aus sechs Personen
Das Übersetzungsprojekt ,,De hirundine‘‘ läuft unter der Ägide der Stiftung Portfolio, die auch das geplante Buch herausgeben wird. Eine sechsköpfige Projektgruppe übernimmt die Organisation. Neben Sander Grootendorst, Arend Heideman, Gerrit Klaassen und Jaap Nijstad, die sich ehrenamtlich um das ebenfalls von Portfolio betreute Poesiefestival Gelselaar kümmern, gehören zu dieser Projektgruppe auch Willem Tjebbe Oostenbrink und Sebastiaan Roes.
Ein Bischof dichtet über die Schwalbe
Das Thema ,Schwalbe’ beim Poesiefestival 2021 führte zu einem einzigartigen Übersetzungsprojekt. Bei den Vorbereitungen stoss Arend Heideman auf Information, die belegte, dass dieser Vogel in einem sehr alten Gedicht niederländischen Ursprungs vorkommt: ,Über die Schwalbe’ ist es genannt, und verfasst hat es Bischof Radboud von Utrecht, der eng mit den östlichen Niederlanden verbunden war. Radboud schrieb es auf lateinisch.
Nach mehr als tausend Jahren hat der Bischof jetzt ein neues Projekt inspiriert: eine Reihe von Übersetzungen aus der Originalsprache. Diese werden in einem speziellen Buch unter der Ägide der Stiftung Portfolio zusammengetragen.
Artikel in der Zeitschrift ,Madoc’
Der Satz ,Hebban olla vogala’ ist der Anfang des ersten niederländischsprachigen Gedicht aus dem 11. Jahrhundert. Es sei aber nicht das älteste niederländische Gedicht, so behauptete der Altphiloge René Veenman im Heft 2005 der Zeitschrift ,Madoc’. ,,Gedichte wurden in den Niederlanden viel früher geschrieben“, meinte Veenman. ,,Aber auf lateinisch, die gemeinsame Sprache für Wissenschaft und Literatur im Mittelalter. Diese lateinische Lyrik ist viel weniger bekannt. Aus diesem Grund kennen nur wenige Gelehrte, die sich mit mittelalterlichem Latein befassen, das Gedicht ,De hirundine’ von Radboud von Utrecht, obwohl es sehr gut als das älteste niederländische Gedicht bezeichnet werden könnte.“
Von Deutschen in einer vatikanischen Bibliothek entdeckt
Bis 1876, als der deutsche Historiker Ernst Ludwig Dümmler in einer Zeitschrift das 44-zeilige Gedicht ,De hirundine’ veröffentlichte, war es lange Zeit völlig unbekannt gewesen. Es wurde in einer vatikanischen Bibliothek gefunden. Es nimmt einen einmaligen Platz in Radbouds kleinem Oeuvre ein: es ist das einzige, das nicht unmittelbar einem kirchlichen oder religiösen Thema gewidmetwurde.
Radboud wurde um die Mitte des 9. Jahrhunderts in der Nähe von Namur geboren. Als 899 Bischof Odilbold I. von Utrecht starb, folgte ihm Radboud. Er wohnte nicht im von den Wikingern zerstörten Utrecht, sondern in Deventer (Provinz Overijssel). Er starb am 29. November 917 in Ootmarsum (in der Region Twente) und wurde in Deventer beigesetzt. Die Radboud Universität in Nimwegen wurdenach ihm benannt.